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Feuersbrunst003



Aus der Sicht von Ordinwulf

D

ie ersten zwei Wochen unserer Schiffsreise nach Travar verliefen völlig ereignislos. Eloklepp war überraschenderweise in V'Strimon geblieben, wohingegen meine Mitfahrer und ich bis zum Ablegen erwartet hatten, dass er mit an Bord der “Kielfrei” gehen würde. Seine Abwesenheit fiel mir aber kaum auf, da ich bislang eh so gut wie keinen Kontakt mit ihm gepflegt hatte und er auch sehr eigenbrötlerisch war. In der Nacht unseres fünfzehnten Tages an Bord, nachdem wir kurz zuvor den Pyros-See durchquert hatten, war ich zur Wache am Bug eingeteilt. Diesen Posten besetze ich alleine. Zeitgleich standen noch zwei Nachtwachen auf dem Vorderschiff, zwei auf dem Mittschiff und zwei weitere auf dem Achterschiff, jeweils eine an der Steuerbord- und eine an der Backbordseite. Während meiner Schicht konnte ich nichts ungewöhnliches feststellen – bis unmittelbar vor meiner Ablösung Stimmengewirr, genauer gesagt lautes aufgeregtes Gezischel mehrer T'Skrangs, an Deck aufkam. Darauf eilte ich zum Mittschiff, wo ich erfuhr, dass die dort eingesetzten Wachen beide fehlten! Um die Posten der Verschwundenen herum sah ich im Holz tiefe, frische Kratzspuren, von denen Si-Yako vermutete, dass sie von den Gliedmaßen von Inshalatas, riesigen Gottesanbeterinnen, herrühren könnten. Letztere würden laut ihm auch von mehren Volksgruppen in der Gegend als Waffen benutzt. Sofort wurden die Anker ausgeworfen und eine Suchaktion nach den Verschwundenen eingeleitet. Mit Hilfe von Laternen wurden das Deck und die Decksaufbauten der “Kielfrei” gründlich abgesucht. Zugleich leuchteten Trach'Kar, einige T'Skrangs und ich mit den stärksten Laternen das Wasser um das Schiff herum aus. Dabei horchte ich angestrengt, ob vielleicht Hilferufe zu vernehmen waren, konnte aber in der penetranten Geräuschkulisse des Servosdschungels nichts ausmachen, das nach einem rufenden T'Skrang klang. Trach'Kar rief vom Heck aus, er habe kurzzeitig so etwas wie einen riesigen T'Skrang in den Fluten des Servos erblickt – dieses vermeintliche Ungetüm ließ sich jedoch nicht erneut erspähen. Nach aus meiner Sicht erstaunlich kurzer Zeit ließ unser Kapitän die Suche beenden. Er sah auch keinen Sinn darin, umzukehren, um einen Teil der zurückgelegten Strecke abzusuchen. Während die meisten Besatzungsmitglieder beunruhigt oder mitgenommen waren, schien Si-Yako dem Verschwinden der Wachen gleichgültig gegenüberzustehen. “Servos gibt, Servos nimmt”, bemerkte der Kathaner dazu schulterzuckend.

Während der Abenddämmerung des folgenden Tages verfing sich unser Schiff in einem in den Servos gestürzten Baum von gewaltigen Ausmaßen. Die “Kielfrei” sollte auf Weisung des Kapitäns erst nach Sonnenaufgang aus ihrer misslichen Lage befreit werden. Allerdings entschieden wir uns, diejenenigen Äste des Baums abzuschlagen, die so nahe an das Schiff heranreichten, dass gefährliche Eindringlinge – Tiere oder Namensgeber – darüber an Deck gelangen könnten. Mit einer Holzfälleraxt in der Hand kletterte ich, ebenso wie Si-Yako und Trach'Kar, auf den Baumriesen – als urplötzlich ein Schatten von Trolldoggengröße aus dem Halbdunkel auf mich zu sprang, mich unter bizarrem “grollendem Quaken” packte und unter Wasser riss. Aufgrund meines Kindheitstraumas war ich zunächst wie erstarrt, bekam aber dennoch mit, dass Si-Yako und Trach'Kar sofort ins Wasser sprangen und mir zur Hilfe eilten. Der rasende Schmerz in meinem linken Oberarm, in den sich das Ungetüm tief verbissen hatte, riss mich nach wenigen Augenblicken aus meiner Erstarrung und fachte meinen Überlebenswillen an. Mir gelang es, dem Angreifer einen heftigen Axthieb zu verpassen, worauf sich dessen Griff etwas lockerte. Befreien konnte ich mich schließlich, nachdem Trach'Kar den Rumpf des Ungetüms mit seiner Sense durchtrennt hatte. Mit kräftigen Schwimmzügen näherte ich mich der Wasseroberfläche, als unvermittelt meine gesamte Muskulatur erlahmte. Trach'Kar zog mich daraufhin schnell an Deck, wo ich – durch die Lähmung außer Stande, meine Lunge selbst zu betätigen – von Si-Yako beatmet wurde, während Trach'Kar meine Bisswunde ausquetschte. Die ganze Zeit über blieb ich bei vollem Bewusstsein. Aus der Wunde zog mir der Troll einen schräg in mein Fleisch gebohrten, wohl einen Fuß messenden Zahn, den Si-Yako einem Jub-Jub zuordnete. Dabei handelte es sich um in der Gegend heimische froschartige Wesen mit beindruckendem Sprungvermögen, die ihren Opfern ein hochwirksames Lähmungsgift injizieren. Zum Glück hatte man in der Bordapotheke ein Antidot gegen das Gift des Jub-Jub für mich parat. Die Nacht verbrachte ich, vom Gift und der Verwundung schwer angeschlagen, unter Deck. Am folgenden Morgen erfuhr ich, dass wieder zwei Nachtwachen verschwunden waren. Ebenso wie beim ersten Vorfall hatte es die Wachen auf dem Mittschiff getroffen, und wieder war die gleiche Art von Kratzspuren zu finden. Eine magische Untersuchung durch Si-Yako ergab, dass zwei Inshalatas, jeweils eine von Backbord und eine von Steuerbord aus, angegriffen hatten – vermutlich zeitgleich und, so schien es, auf “Absprache”. Am Vormittag kümmerte sich Arthos auf meine Bitte hin um meine Wunden, die bereits angefangen hatten zu eitern. Gegen Mittag kam die “Kielfrei” unter großen Anstrengungen der Besatzung endlich wieder frei und konnte ihre Fahrt fortsetzen.

Um den Schutz vor Angriffen zu verbessern, wurde beschlossen, dass fortan alle Nachtwachen mit Seilen am Schiffskörper festgebunden würden. An den Seilen ließ man zusätzlich Glocken befestigen. Als weiterer Schutzmaßnahme wurden über der Reling des Mittschiffs – eines Bereichs der mangels Decksaufbauten besonders gefährdet war – Fischernetze so aufgespannt, dass die Wachen diese durch Ruck an einem Seil auf ihrer Angreifer herabfallen lassen konnten. In der folgenden Nacht griff erneut ein Paar von Inshalatas die Wachen auf dem Mittschiff an. Trach'Kar gelang es, sich und eine der Inshalatas im Netz zu verwickeln. Noch vor dem Eintreffen von Verstärkung jedoch konnte sich das vom Troll schwer verletzte Rieseninsekt wieder befreien und an das immerhin etwa dreißig Schritt entfernte Ufer retten. Indessen war die Wache an der Trach'Kar gegenüberliegenden Position verschwunden, ihr Seil war sauber gekappt worden. Als Folge auf diesen Angriff wurden die Sicherheitsmaßnahmen an Bord verschärft: am Rumpf der “Kielfrei” wurde ein Wall aus Piken installiert, während das Deck durch das Aufspannen zahlreicher zusätlicher Fischernetze geschützt wurde. Um fliehenden Inshalatas nachsetzen zu können, ließ Trach'Kar in der Abenddämmerung des Folgetages den Kapitän Beiboote auf Höhe des Mittschiffs in etwa zehn Schritt Entfernung ankern – also in Sprungweite des Trolls... In der Nacht kam es, wie erwartet, wieder zu einer konzertierten Attacke von zwei Inshalatas. Und wieder war Trach'Kar zu diesem Zeitpunkt auf dem Mittschiff als Wache eingeteilt. Einer der Angreifer wurde gleich beim Anflug von den Piken aufgespießt und verstarb infolgedessen, ganz ohne Eingreifen der Wachen. Die zweite angreifende Inshalata wurde vom Troll brutal niedergemetzelt. Grünes stinkendes Blut und Eingeweide wurden dabei meterweit über Deck verspritzt. Nach Beendigung des Kampfes, wurden die weniger beschädigten Körperteile der Inshalatas als Trophäen an diejenigen verteilt, die dem Troll zur Hilfe geeilt waren. Ich bekam eine der Klauen. Von nun an kam es zu keinen weiteren Angriffen durch Inshalatas, nur lautes Flattern nahe der Reling war nachts gelegentlich auf Deck zu vernehmen. Offenbar schreckte der penetrante Geruch des Blutes ihrer getöteten Artgenossen die Inshalatas ab. Ihr Blut war extrem klebrig und wurde – glücklicherweise – noch nicht einmal durch den Regen von Deck gespült. Nach fünf Wochen ohne Vorkommnisse erreichten wir den Hafen von K'tenshin, wo die “Kielfrei” ihre Vorräte auffrischte und weitere Ladung aufnahm. Dann vergingen nochmals zwei ereignislose Wochen Fahrt auf dem Servos, bis wir endlich die prächtige Silhouette von Travar erblickten.





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letzte Änderung 21-Jul-2013 20:13:45 CEST von Ordinwulf.



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