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Ort Der Langen Schatten

In tiefer Nacht hört man das Flüstern in den Gassen und Hinterhöfen, wenn Kratas seinen geheimen Traum träumt und sein Versprechen des schnellen Goldes in die Ohren der Hoffnungslosen raunt

- Thain Lange Hand, Elfischer Troubadour aus Urupa

Voiha, frühe Datumsangabe:

A

ls die Karawane den Tafelberg erreichte, auf dessen Rücken die altehrwürdige Zitadelle Kratas thront, regnete es in Strömen. Vereinzelt sah ich Lichter in der schwarzen Stadtsilhouette glimmen, die sich scharf gegen den Nachthimmel abzeichnete. Vermutlich Fackeln auf der Stadtmauer und am Tor, oder Tavernenfenster, die auch um diese Zeit noch einsam leuchteten. Wir folgten der Straße, die sich, eng an den Fels geschmiegt, nach oben schlängelte. Es war ein mühseliger Aufstieg, denn sie war steil und das Pflaster regennaß, so daß die Tiere manchmal ausglitten und die Räder der Karren nicht richtig greifen konnten. Je höher wir kamen, desto deutlicher konnte ich die Stadt erkennen. Eine mächtige Mauer umschlang Kratas wie der Gürtel eines Riesen. Wir steuerten auf das Tor zu, das einzige, wie ich später feststellte, und im Licht der Fackeln, die den Vorplatz erleuchteten, konnte ich eine Handvoll Gestalten erkennen. Lange Ledermäntel schützen die vor dem prasselnden Regen und als die Karawane sich endlich vor dem Tor versammelt hatte, kam einer der Männer auf uns zu. Es war ein Ork von mächtiger Statur und einem Gesicht, daß schon viele Fäuste gesehen haben mußte. Lässig stützte er sich auf seinen Speer und im Fackelschein sah ich ein Auge, daß auf seinen Rundschild gemalt worden war. Waren das die Wachen der Macht des Auges, von denen

Bhjurke berichtet hatte? Die Gesandten von Garlthik, dem legendären Dieb und Herrscher der Stadt? Als sie begannen, die Karawane zu durchsuchen, war ich mir sicher. Sie schienen ihre Arbeit ernst zu nehmen und gingen gründlich vor- erst als unser Anführer ihnen ein Faß Hurlg überließ, konnten wir passieren. Natürlich mußte jeder der Mitreisenden noch den Wegzoll von zehn Silberstücken entrichten. Durch Bhjurkes Bericht war ich bestens gewappnet und drückte im Vorbeireiten dem Ork am Tor ein Goldstück in die Hand- schließlich wollte ich keinen Ärger machen. Der Ork grinste freundlich und nickte mir zu, dann winkte er mich in die Stadt.

Kratas lag vor mir.

Die Gassen waren eng und verwinkelt. Wolken huschten mit großer Geschwindigkeit über den Himmel und wann immer sie das fahle Gesicht des Mondes preisgaben, fiel sein Licht auf das ausgetretene Straßenpflaster, auf dem sich in unregelmäßigen Abständen Unrat angesammelt hatte. Eine Horde wohlgenährter Ratten huschten eifrig hin und her, und ich wurde das Gefühl nicht los, das sie nicht die einzigen waren, die mich beobachteten.

Die Hauseingänge links und rechts lagen fast einen ganzen Schritt zurückgesetzt in den Mauern und schienen wie leere Augenhöhlen in die Dunkelheit zu starren. Ein Blitz zerriß den Himmel und erschrocken kauerte ich mich für einen Moment an eine Häuserwand. Mein Blick wanderte nach oben. Erst jetzt fiel mir auf, daß kaum eines der spitzgiebeligen Fenster zur Straße hin zeigte, und es in den unteren zwei Stockwerken gar keine zu geben schien. Ob das hier üblich war? Als der Donner durch die Gasse rollte, hörte ich ein schlurfendes Geräusch aus einem der Hauseingänge.

Kratas erscheint einem Reisenden oft verlassen zu sein. Wenige Gestalten bewegen sich in der Stadt, und oft kann man hunderte Schritt durch die Straßen wandern, ohne einen Bewohner zu sehen. Mit Sicherheit aber wird man gesehen. Hinter den halbgeschloßenen Läden der Fenster, um Häuserecken und aus dunklen Seitengassen heraus folgen einem mißtrauische, neugierige und vor allem abschätzende Blicke. Die Stadt lebt, und ein Neuankömmling, der Kratas am Tag durchwandert hat, wird es Nachts nicht wiedererkennen. Dennoch wäre er gut beraten, im Haus zu bleiben, denn nicht viele Fremde überleben eine Nacht im Freien. Zu leicht kann es passieren, zwischen zwei rivalisierende Diebesbanden zu geraten, die mit Spionen und solchen, die sie für welche halten, kurzen Prozeß machen. Es ist allemal sicherer, in seinem Zimmer zu verweilen und Fenster und Türen fest zu verriegeln. Eine Nachtwache und eine verbarrikadierte Tür scheinen ebenfalls empfehlenswert. Die meisten Bewohner der Stadt, die nicht zu den Verbrechern und deren Gefolge gehören, leiden unter der Gewaltherrschaft. Dennoch bleiben sie, weil sie sich hier sicher fühlen - so seltsam das klingen mag. Trotz der Rivalität einiger Gruppen hat sich zwischen den Bewohnern ein merkwürdiger Zusammenhalt entwickelt, der für Außenstehende nur schwer zu begreifen ist. Die Diebe sind zu dem Schluß gekommen, das eine Stadt ihre Bürger braucht, und lassen sie bei ihren Aktivitäten in der Regel in Ruhe. Nur so ist es zu erklären, das Kratas nicht nur zwielichtigen Gestalten eine Heimat ist, sondern auch Händler, Scholaren, Handwerker und Kunstschaffende in den verfalllenden Mauern leben. Tatsächlich stellen sie sogar die Mehrheit der Bewohner. Nur etwa ein Drittel aller Kratraer gehen im Schweiße ihres Angesichts dem Diebeshandwerk nach. Zwar leben die ehrbaren Bürger mit der ständigen Bedrohung von Überfällen, ziehen es aber dennoch vor, ihrem Geschäft in der Stadt der Diebe nach-zugehen, da sie hier eine bessere Bezahlung als anderswo erwarten können und nicht unter der Last von Steuern stöhnen müssen.





letzte Änderung 19-Jun-2007 20:32:54 CEST von unknown.



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